Vulkaninseln im Altantik AZOREN

Dampfende Vulkane, spiegelglatte Kraterseen, weiße Städtchen und grüne Weiden mit blühenden Hortensien – die Azoren sind ein ungewöhnliches Reiseziel. Ohne jeglichen Massentourismus. Genau das Richtige für Individualisten.

Nervös blicken sich die Männer am Strand um. Eilig schaffen sie Vieh auf die Insel – Ziegen, Kühe und Schweine. Danach rudern sie zurück zu ihrem Schiff, das weit vor der Küste ankert. Einige Zeit später kommen die Männer wieder auf die Insel, um nachzuschauen, ob die Tiere noch leben. Und siehe da: Das Vieh hat sich prächtig vermehrt. Wilde Tiere und Ungeheuer scheint es auf der unbewohnten Insel also nicht zu geben. Damit ist die erste Grundlage zum Überleben geschaffen. Die Entdecker benennen die Insel nach dem dort heimischen Bussard, den sie fälschlicherweise für einen Habicht (açores) halten. So in etwa muss es sich vor fast 600 Jahren zugetragen haben, als die ersten portugiesischen Siedler an den Azoren an Land gingen. Um 1427 schickte Heinrich der Seefahrer, portugiesischer Königssohn und Förderer der Seefahrt, Diogo de Silves auf die Suche nach dem „Ende der Welt“. Was er dann mitten im Atlantik fand, war die Insel Santa Maria. Heute wissen wir, dass die Azoren zwar nicht das Ende der Welt sind, aber immerhin markiert Flores das Ende des westlichen Europas.

„Kaffee, Tee, kalte Getränke?“ Meine Entdeckung der Azoren startet da doch wesentlich entspannter. Und blau! Seit Stunden gibt es beim Blick aus dem Flugzeugfenster nicht mehr zu sehen, als das tiefe Blau des Atlantiks. Doch plötzlich, wie aus dem Nichts: Grün! Da tauchen neun kleine grüne Inseln auf: die Azoren, 1.500 Kilometer bzw. zweieinhalb Flugstunden vom portugiesischen Festland entfernt. Die Azoren sind wohl jedem von uns bekannt, der aufmerksam den Wetterbericht verfolgt. Das Azoren-Hoch ist ein echter Klassiker. Wenn es zu uns zieht, dann bringt es eine lange Schönwetterperiode mit sich. Ansonsten sind die neun Inseln mitten im Atlantik relativ unbekannt – immer noch ein echter touristischer Geheimtipp, insbesondere für Wanderer, Taucher, Naturfreunde. Mein Flieger landet in Ponta Delgada, der Hauptstadt von São Miguel. Die Stadt ist recht groß und modern. Ihre Altstadt hat sich allerdings einen gemütlichen Charme bewahrt. Hier gibt es viele kleine Gassen und Plätze, die sich zum Abend hin füllen. Der Besuch auf dem Mercado Municipal ist lohnenswert. Hier kann man alles kaufen, was man zum täglichen Leben braucht: Fisch, Fleisch, Gemüse. Wer Glück hat und ein Apartment mit Grill bewohnt, sollte unbedingt ein paar Sardinen oder Gambas für das Abendessen dort einkaufen. Ein süffiger Vinho Verde dazu und die Sonne, die im Meer versinkt, machen den Abend perfekt.

Mein erster Insel-Tag beginnt mit dem „Wanderklassiker“ auf den Azoren: Sete Cidades. Ziel sind zwei nebeneinanderliegende Kraterseen, der eine blau, der andere grün. Um die Farben der Seen ranken sich viele Legenden. Eine besagt, dass hier ein Hirte und seine Prinzessin so viele Tränen um ihre unerfüllte Liebe vergossen, dass zwei Seen entstanden. Ein Blauer mit den Tränen der Prinzessin, ein Grüner mit den Tränen des Hirten. Ausgerechnet heute sorgt das Azoren-Hoch leider woanders für gutes Wetter. Es ist grau und regnet. Aber schnelle Wetterwechsel sind charakteristisch für das Klima der Azoren, und so zeigt sich schon bald wieder die ­Sonne. „Hier kann man vier Jahreszeiten an einem Tag erleben“, scherzen die Azoreaner gern. Überhaupt ist das Wetter ihr Smalltalk-Thema Nummer eins. Ich wandere durch eine hügelige und ursprünglich wirkende Landschaft – fühle mich manchmal in vergangene Zeiten zurückversetzt. Grün in allen Nuancen begleitet mich: das satte Grün der Weiden, moosgrüne Farne und Moosgewächse, dunkel­grüne Wälder und … schwarz-bunt. Auf den saftigen Wiesen sehe ich doch tatsächlich Holsteiner Kühe, fast so häufig wie im Landkreis Dithmarschen. Hintergrund: Die Vieh- und Milchwirtschaft ist einer der bedeutendsten Wirtschaftszweige der Inseln. In einigen Orten leben mehr Rinder als Menschen. Gesäumt werden die Weiden von oft kilometerlangen Hortensien-Hecken, Besonders in der Blütezeit, Juli und ­August, sind sie eine optische Offen­barung für jeden Hobby-Gärtner. Aber in dem milden Klima gedeihen nicht nur die Hortensien deutlich besser als in meinem Garten, sondern auch ­Ananas, Bananen und sogar Tee. Im Ort Gorreana befindet sich Europas einzige Teeplantage!

Doch was die Natur gibt, nimmt sie sich auch wieder. Kraterseen erinnern daran, dass acht der neun Azoreninseln vulkanischen Ursprungs und eigentlich nur die herausragenden Gipfel einer Bergkette sind. Immer wieder gab es in der Geschichte der Azoren schwere Erdbeben und Vulkanausbrüche mit Ascheregen, die fruchtbares Ackerland in ­bizarres Ödland verwandelten. Einige Male brachten Eruptionen auch Neues mit sich. Bei einem Vulkan­ausbruch 1957 vergrößerte sich die Insel Faial um einige Quadratkilometer. Und 1811 wurde der britische Kapitän Tillard zufällig Zeuge eines unheimlichen ­Naturspektakels: Windhosen fegten über das Wasser, Rauchwolken stiegen aus dem Meer und Blitze zuckten vom Himmel. Durch seismische Aktivität wurde eine neue Insel aus dem Meer geboren. Tillard besetzte die etwa 1,5 Kilometer lange neue Azoreninsel im Namen seiner königlichen Hoheit, hisste den Union Jack und benannte das Eiland nach seinem Schiff, Sabrina. Die Insel brachte dem Kapitän aber mehr Häme als Anerkennung. Denn als einige Monate später ein anderes britisches Schiff an besagter Stelle eintraf, war die Insel bereits wieder im Meer versunken und man hielt Tillard für einen Spinner. Zurück zu den Sete Cidades. Der Wanderweg führt am Kraterrand entlang und zum Kraterboden fallen die Kraterwände teilweise schwindel­erregend ab. Vom Aussichtspunkt ­Vista do Rei hat man den schönsten Ausblick. Im Caldeira, dem Kraterkessel, liegen zwei Kraterseen nur von einer kleinen Brücke getrennt: der Lagoa Azul und der Lagoa Verde, eine ja bereits bekannte Farbkombination. Man sollte meinen, dass es keine besseren Farben für das Wappen der Insel gäbe.

Auf dem Rückweg kehre ich in einer kleinen Bar ein. Jeder Ort, und ist er noch so winzig, hat eine Kneipe als Anlaufpunkt für den alltäglichen Klatsch und Tratsch. Und wenn alle Geschäfte geschlossen haben und die letzte Kuh gemolken ist, trifft man sich bei Francisco zu einem Azorenwein. Auch ich bestelle einen Vinho de Cheiro und plaudere mit meinem ­Nebenmann Miguel. Über das Wetter – natürlich. Das Portugiesisch wird hier mit starkem Akzent gesprochen, so dass selbst Festlandportugiesen die Ein­heimischen kaum verstehen. Aber Miguel spricht zum Glück recht gut englisch. Wie viele Azoreaner hat auch er Verwandte in Amerika. Miguel selbst war noch nie außerhalb der Azoren. „Para que? – Wozu?“, fragt er und lacht. Die Menschen hier sind tief verwurzelt in der Religion und in alten Traditionen. Und ich lerne die Açoreanos an diesem Abend als außerordentlich gastfreundlich kennen. Man erzählt mir vom launischen Wetter, den Stürmen im Winter, dem Walfang früher, der Verwandtschaft in Amerika und den Piraten, die früher auf den Azoren ihr Unwesen trieben. Besonders die Anekdote von Christoph Kolumbus, der hier auf seiner Rückfahrt von Amerika Halt machte und als mutmaßlicher Pirat verhaftet wurde, amüsiert noch heute die halbe Bar. Zur Entspannung meiner müden ­Beine empfiehlt mir Miguel einen Ausflug in den Kurort Furnas.

Also ­mache ich mich am nächsten Tag auf in den östlichen Teil von São Miguel, in das Tal von Furnas. Das ist ein mon­dänes Städtchen. Aber auch hier wird man daran erinnert, dass die Erde ­unter den Azoren aktiv ist: 22 heiße Quellen blubbern und brodeln aus der Erde und speisen mehrere Warmbadebecken. Eines davon im Parque Terra Nostra. Aufgrund der Wärme und der hohen Feuchtigkeit gedeihen hier ­exotische Farne, Azaleen und sogar prächtige Orchideen. Aber nicht nur zum Baden ist die ­Erdwärme gut. Auch zum Garen des bekannten „Cozido“, einem Eintopf aus Fleisch und Gemüse, wird die ­natürliche Wärme aus dem Inneren genutzt. Viele einheimische Familien versenken ihr Sonntagsmahl einfach in den heißen Erdlöchern und nach ­einigen Stunden ist es fertig zum ­Verzehr. Nach einem Tag Erholung steht die nächste Wanderung an, zum Lagoa do Fogo in den Bergen von São Miguel. Der schillernd grüne „Feuersee“ ist ­einer der schönsten Kraterseen der Azoren und lohnt auch wegen eines weiteren Highlights. Nicht weit vom Lagoa do Fogo bei Ribeira Grande kann man in dem Wasserfall Caldeira Velha mit seinem warmen Thermalbecken baden – und wird dafür entschädigt, dass die Wassertemperatur des Atlantiks auch im Sommer nur knapp über der Schmerzgrenze liegt.

Für die folgenden Tage steht Inselhopping auf meinem Programm. Zunächst geht es über 500 Kilometer auf die Insel Flores. Die Blumeninsel macht ihrem Namen alle Ehre, ist die Grünste der Azoren. Mit ihrer verwunschenen Landschaft würde sie sich ohne weiteres als Drehort für einen Fantasyfilm anbieten. In der Vergangenheit spielten die Azoren als letzter Anlaufpunkt vor ­einer Transatlantik-Überquerung eine große Rolle. Dampfschiffe füllten hier ihre Kohlenreserven auf und auch die Lufthansa legte hier früher einen ­Zwischenstopp zum Auftanken ein. Die Insel Faial zeugt noch immer ­davon. Auf der Kaimauer im Hafen von Horta verewigen sich viele Segler, bevor sie über den großen Teich starten. Das natürlich nicht, ohne vorher einen ausgiebigen Abstecher ins berühmte „Café Sport“ gemacht zu haben … Die Nachbarinsel Pico ist praktisch nur einen (Lava)Steinwurf entfernt. Ihre Hügel steigen an der Küste schnell steil nach oben. Und so wundert es nicht, dass sich hier der höchste Berg Portugals befindet: der immerhin 2.351 Meter hohe Pico. Geübte Bergwanderer be­steigen ihn vom Parkplatz in Cabeço das Cabras in etwa viereinhalb Stunden. Doch genauso wie die Berge im Landesinneren rapide in die Höhe wachsen, fallen die Küsten im Meer schnell ab. Nur einige Seemeilen vor der Küste der Azoren werden Meerestiefen von über 1.000 Meter erreicht. Und so kann man man hier Fische sehen, die man sonst nur auf Hochsee antrifft – allen voran Delfine und Wale zu nennen. Insgesamt 24 Wal- und Delfinarten tummeln sich vor der Küste der Azoren. Kein Wunder also, dass Whalewatching bei den Touristen ganz oben auf der Erlebnis-Wunschliste steht. Auch bei mir. Nach einem kurzen Vortrag über die Geschichte des Walfangs auf den Azoren geht es mit dem Schiff aufs Meer hinaus. Und schon bald wird der erste Wal von aufgeregten „Da-da-da!“-Rufen begleitet, dem ehrfürchtige „Ahs“ und „Ohs“ folgen, als die Schwanzflosse wieder im Meer versinkt. Ein unbeschreibliches Erlebnis, das einen nachhaltigen Eindruck bei mir hinterlassen hat. So wie die Azoren überhaupt.

INFORMATIONEN ZU AUSTRALIEN

Beste Reisezeit: Von Mai bis September. Das angenehmste Wetter herrscht im Hochsommer. Die Wassertemperaturen liegen im Frühjahr bei 17 °C und im Sommer bei 22 °C.

Klima: Auf den Azoren wird das Klima durch den Golfstrom beeinflusst. Es ist das ganze Jahr über mild, aber wechselhaft. Die durchschnittlichen Temperaturen liegen im Frühjahr/Winter bei 14 bis 16 °C, im Sommer bei 22 °C und im Herbst um 18 °C.

Sprache: Portugiesisch. Einige Azoreaner sprechen auch Englisch.

Zeit: Azoren Time. MEZ minus 2 Stunden.

Geld: Euro. Geldautomaten sind vorhanden. Die Zahlung mit Kreditkarte ist in Hotels, Restaurants und Mietwagen-Stationen fast überall möglich.

Dokumente: Personalausweis.

Gesundheit: Auf allen Inseln gibt es Gesundheitszentren. Krankenhäuser findet man z.?B. in São Miguel, Terceira und Flores. Die Behandlung muss vor Ort bar bezahlt werden. Die Rechnung sollte dann bei der Krankenversicherung im Heimatland zur Erstattung der Kosten vorgelegt werden.

Essen & Trinken: Bekannte portugiesische Gerichte sind „Caldeirada“-Fischsuppe, „Açorda“, eine Brotsuppe mit Krabben, Knoblauch und Koriander und „Bacalhau“ – Stockfisch. Die Vielfalt an Meeresfischen ist riesig. Typische Fleischgerichte sind „Cozido à Portuguesa“, ein deftiger Fleischeintopf mit Rind- und Schweinefleisch, Kohl, Reis, Kartoffeln, Speck und Wurst sowie „Cabrito“ (Zicklein). Typisch ist das süße Gebäck, z.?B. die Pastéis de Nata – Blätterteigtörtchen mit Vanillepudding gefüllt.

Sehenswert: Insel São Miguel: Ponta Delgada, das touristische Zentrum der Azoren inkl. einem schönen Yachthafen, Museen und Denkmälern; Kraterseen Sete Citades; Lagoa do Fogo und Lagoa das Furnas; Park Terra Nostra in Furnas; heiße Quellen; tropische Pflanzen; die einzige Teeplantage Europas in Gorreana. Insel Pico: Pico, der höchste Berg Portugals. Insel Terceira: Biscoitos, ein großes, sehr naturnahes Lava-Schwimmbecken. Insel Flores: Wasserfälle. Insel Faial: Horta, ein legendärer Hafen für Weltumsegler.

Unbedingt machen: Wandern, Inselhopping, Wale und Delfine beobachten.

Unbedingt vermeiden: Badeurlaub erwarten.

Beliebte Mitbringsel: Leder- und Korbwaren, Azulejos (bemalte Fliesen) und andere Keramik, Stickereien und Portwein.

Auskünfte: www.visit-azoren.de.

Lisa Kluxen

Fotos: Turismo de Portugal; Associacao de Turismo dos Acores

Lisa Kluxen

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Dampfende Vulkane, spiegelglatte Kraterseen, weiße Städtchen und grüne Weiden mit blühenden Hortensien – die Azoren sind ein ungewöhnliches Reiseziel. Ohne jeglichen Massentourismus. Genau das Richtige für Individualisten.

Nervös blicken sich die Männer am Strand um. Eilig schaffen sie Vieh auf die Insel – Ziegen, Kühe und Schweine. Danach rudern sie zurück zu ihrem Schiff, das weit vor der Küste ankert. Einige Zeit später kommen die Männer wieder auf die Insel, um nachzuschauen, ob die Tiere noch leben. Und siehe da: Das Vieh hat sich prächtig vermehrt. Wilde Tiere und Ungeheuer scheint es auf der unbewohnten Insel also nicht zu geben. Damit ist die erste Grundlage zum Überleben geschaffen. Die Entdecker benennen die Insel nach dem dort heimischen Bussard, den sie fälschlicherweise für einen Habicht (açores) halten. So in etwa muss es sich vor fast 600 Jahren zugetragen haben, als die ersten portugiesischen Siedler an den Azoren an Land gingen. Um 1427 schickte Heinrich der Seefahrer, portugiesischer Königssohn und Förderer der Seefahrt, Diogo de Silves auf die Suche nach dem „Ende der Welt“. Was er dann mitten im Atlantik fand, war die Insel Santa Maria. Heute wissen wir, dass die Azoren zwar nicht das Ende der Welt sind, aber immerhin markiert Flores das Ende des westlichen Europas.

„Kaffee, Tee, kalte Getränke?“ Meine Entdeckung der Azoren startet da doch wesentlich entspannter. Und blau! Seit Stunden gibt es beim Blick aus dem Flugzeugfenster nicht mehr zu sehen, als das tiefe Blau des Atlantiks. Doch plötzlich, wie aus dem Nichts: Grün! Da tauchen neun kleine grüne Inseln auf: die Azoren, 1.500 Kilometer bzw. zweieinhalb Flugstunden vom portugiesischen Festland entfernt. Die Azoren sind wohl jedem von uns bekannt, der aufmerksam den Wetterbericht verfolgt. Das Azoren-Hoch ist ein echter Klassiker. Wenn es zu uns zieht, dann bringt es eine lange Schönwetterperiode mit sich. Ansonsten sind die neun Inseln mitten im Atlantik relativ unbekannt – immer noch ein echter touristischer Geheimtipp, insbesondere für Wanderer, Taucher, Naturfreunde. Mein Flieger landet in Ponta Delgada, der Hauptstadt von São Miguel. Die Stadt ist recht groß und modern. Ihre Altstadt hat sich allerdings einen gemütlichen Charme bewahrt. Hier gibt es viele kleine Gassen und Plätze, die sich zum Abend hin füllen. Der Besuch auf dem Mercado Municipal ist lohnenswert. Hier kann man alles kaufen, was man zum täglichen Leben braucht: Fisch, Fleisch, Gemüse. Wer Glück hat und ein Apartment mit Grill bewohnt, sollte unbedingt ein paar Sardinen oder Gambas für das Abendessen dort einkaufen. Ein süffiger Vinho Verde dazu und die Sonne, die im Meer versinkt, machen den Abend perfekt.

Mein erster Insel-Tag beginnt mit dem „Wanderklassiker“ auf den Azoren: Sete Cidades. Ziel sind zwei nebeneinanderliegende Kraterseen, der eine blau, der andere grün. Um die Farben der Seen ranken sich viele Legenden. Eine besagt, dass hier ein Hirte und seine Prinzessin so viele Tränen um ihre unerfüllte Liebe vergossen, dass zwei Seen entstanden. Ein Blauer mit den Tränen der Prinzessin, ein Grüner mit den Tränen des Hirten. Ausgerechnet heute sorgt das Azoren-Hoch leider woanders für gutes Wetter. Es ist grau und regnet. Aber schnelle Wetterwechsel sind charakteristisch für das Klima der Azoren, und so zeigt sich schon bald wieder die ­Sonne. „Hier kann man vier Jahreszeiten an einem Tag erleben“, scherzen die Azoreaner gern. Überhaupt ist das Wetter ihr Smalltalk-Thema Nummer eins. Ich wandere durch eine hügelige und ursprünglich wirkende Landschaft – fühle mich manchmal in vergangene Zeiten zurückversetzt. Grün in allen Nuancen begleitet mich: das satte Grün der Weiden, moosgrüne Farne und Moosgewächse, dunkel­grüne Wälder und … schwarz-bunt. Auf den saftigen Wiesen sehe ich doch tatsächlich Holsteiner Kühe, fast so häufig wie im Landkreis Dithmarschen. Hintergrund: Die Vieh- und Milchwirtschaft ist einer der bedeutendsten Wirtschaftszweige der Inseln. In einigen Orten leben mehr Rinder als Menschen. Gesäumt werden die Weiden von oft kilometerlangen Hortensien-Hecken, Besonders in der Blütezeit, Juli und ­August, sind sie eine optische Offen­barung für jeden Hobby-Gärtner. Aber in dem milden Klima gedeihen nicht nur die Hortensien deutlich besser als in meinem Garten, sondern auch ­Ananas, Bananen und sogar Tee. Im Ort Gorreana befindet sich Europas einzige Teeplantage!

Doch was die Natur gibt, nimmt sie sich auch wieder. Kraterseen erinnern daran, dass acht der neun Azoreninseln vulkanischen Ursprungs und eigentlich nur die herausragenden Gipfel einer Bergkette sind. Immer wieder gab es in der Geschichte der Azoren schwere Erdbeben und Vulkanausbrüche mit Ascheregen, die fruchtbares Ackerland in ­bizarres Ödland verwandelten. Einige Male brachten Eruptionen auch Neues mit sich. Bei einem Vulkan­ausbruch 1957 vergrößerte sich die Insel Faial um einige Quadratkilometer. Und 1811 wurde der britische Kapitän Tillard zufällig Zeuge eines unheimlichen ­Naturspektakels: Windhosen fegten über das Wasser, Rauchwolken stiegen aus dem Meer und Blitze zuckten vom Himmel. Durch seismische Aktivität wurde eine neue Insel aus dem Meer geboren. Tillard besetzte die etwa 1,5 Kilometer lange neue Azoreninsel im Namen seiner königlichen Hoheit, hisste den Union Jack und benannte das Eiland nach seinem Schiff, Sabrina. Die Insel brachte dem Kapitän aber mehr Häme als Anerkennung. Denn als einige Monate später ein anderes britisches Schiff an besagter Stelle eintraf, war die Insel bereits wieder im Meer versunken und man hielt Tillard für einen Spinner. Zurück zu den Sete Cidades. Der Wanderweg führt am Kraterrand entlang und zum Kraterboden fallen die Kraterwände teilweise schwindel­erregend ab. Vom Aussichtspunkt ­Vista do Rei hat man den schönsten Ausblick. Im Caldeira, dem Kraterkessel, liegen zwei Kraterseen nur von einer kleinen Brücke getrennt: der Lagoa Azul und der Lagoa Verde, eine ja bereits bekannte Farbkombination. Man sollte meinen, dass es keine besseren Farben für das Wappen der Insel gäbe.

Auf dem Rückweg kehre ich in einer kleinen Bar ein. Jeder Ort, und ist er noch so winzig, hat eine Kneipe als Anlaufpunkt für den alltäglichen Klatsch und Tratsch. Und wenn alle Geschäfte geschlossen haben und die letzte Kuh gemolken ist, trifft man sich bei Francisco zu einem Azorenwein. Auch ich bestelle einen Vinho de Cheiro und plaudere mit meinem ­Nebenmann Miguel. Über das Wetter – natürlich. Das Portugiesisch wird hier mit starkem Akzent gesprochen, so dass selbst Festlandportugiesen die Ein­heimischen kaum verstehen. Aber Miguel spricht zum Glück recht gut englisch. Wie viele Azoreaner hat auch er Verwandte in Amerika. Miguel selbst war noch nie außerhalb der Azoren. „Para que? – Wozu?“, fragt er und lacht. Die Menschen hier sind tief verwurzelt in der Religion und in alten Traditionen. Und ich lerne die Açoreanos an diesem Abend als außerordentlich gastfreundlich kennen. Man erzählt mir vom launischen Wetter, den Stürmen im Winter, dem Walfang früher, der Verwandtschaft in Amerika und den Piraten, die früher auf den Azoren ihr Unwesen trieben. Besonders die Anekdote von Christoph Kolumbus, der hier auf seiner Rückfahrt von Amerika Halt machte und als mutmaßlicher Pirat verhaftet wurde, amüsiert noch heute die halbe Bar. Zur Entspannung meiner müden ­Beine empfiehlt mir Miguel einen Ausflug in den Kurort Furnas.

Also ­mache ich mich am nächsten Tag auf in den östlichen Teil von São Miguel, in das Tal von Furnas. Das ist ein mon­dänes Städtchen. Aber auch hier wird man daran erinnert, dass die Erde ­unter den Azoren aktiv ist: 22 heiße Quellen blubbern und brodeln aus der Erde und speisen mehrere Warmbadebecken. Eines davon im Parque Terra Nostra. Aufgrund der Wärme und der hohen Feuchtigkeit gedeihen hier ­exotische Farne, Azaleen und sogar prächtige Orchideen. Aber nicht nur zum Baden ist die ­Erdwärme gut. Auch zum Garen des bekannten „Cozido“, einem Eintopf aus Fleisch und Gemüse, wird die ­natürliche Wärme aus dem Inneren genutzt. Viele einheimische Familien versenken ihr Sonntagsmahl einfach in den heißen Erdlöchern und nach ­einigen Stunden ist es fertig zum ­Verzehr. Nach einem Tag Erholung steht die nächste Wanderung an, zum Lagoa do Fogo in den Bergen von São Miguel. Der schillernd grüne „Feuersee“ ist ­einer der schönsten Kraterseen der Azoren und lohnt auch wegen eines weiteren Highlights. Nicht weit vom Lagoa do Fogo bei Ribeira Grande kann man in dem Wasserfall Caldeira Velha mit seinem warmen Thermalbecken baden – und wird dafür entschädigt, dass die Wassertemperatur des Atlantiks auch im Sommer nur knapp über der Schmerzgrenze liegt.

Für die folgenden Tage steht Inselhopping auf meinem Programm. Zunächst geht es über 500 Kilometer auf die Insel Flores. Die Blumeninsel macht ihrem Namen alle Ehre, ist die Grünste der Azoren. Mit ihrer verwunschenen Landschaft würde sie sich ohne weiteres als Drehort für einen Fantasyfilm anbieten. In der Vergangenheit spielten die Azoren als letzter Anlaufpunkt vor ­einer Transatlantik-Überquerung eine große Rolle. Dampfschiffe füllten hier ihre Kohlenreserven auf und auch die Lufthansa legte hier früher einen ­Zwischenstopp zum Auftanken ein. Die Insel Faial zeugt noch immer ­davon. Auf der Kaimauer im Hafen von Horta verewigen sich viele Segler, bevor sie über den großen Teich starten. Das natürlich nicht, ohne vorher einen ausgiebigen Abstecher ins berühmte „Café Sport“ gemacht zu haben … Die Nachbarinsel Pico ist praktisch nur einen (Lava)Steinwurf entfernt. Ihre Hügel steigen an der Küste schnell steil nach oben. Und so wundert es nicht, dass sich hier der höchste Berg Portugals befindet: der immerhin 2.351 Meter hohe Pico. Geübte Bergwanderer be­steigen ihn vom Parkplatz in Cabeço das Cabras in etwa viereinhalb Stunden. Doch genauso wie die Berge im Landesinneren rapide in die Höhe wachsen, fallen die Küsten im Meer schnell ab. Nur einige Seemeilen vor der Küste der Azoren werden Meerestiefen von über 1.000 Meter erreicht. Und so kann man man hier Fische sehen, die man sonst nur auf Hochsee antrifft – allen voran Delfine und Wale zu nennen. Insgesamt 24 Wal- und Delfinarten tummeln sich vor der Küste der Azoren. Kein Wunder also, dass Whalewatching bei den Touristen ganz oben auf der Erlebnis-Wunschliste steht. Auch bei mir. Nach einem kurzen Vortrag über die Geschichte des Walfangs auf den Azoren geht es mit dem Schiff aufs Meer hinaus. Und schon bald wird der erste Wal von aufgeregten „Da-da-da!“-Rufen begleitet, dem ehrfürchtige „Ahs“ und „Ohs“ folgen, als die Schwanzflosse wieder im Meer versinkt. Ein unbeschreibliches Erlebnis, das einen nachhaltigen Eindruck bei mir hinterlassen hat. So wie die Azoren überhaupt.

INFORMATIONEN ZU AUSTRALIEN

Beste Reisezeit: Von Mai bis September. Das angenehmste Wetter herrscht im Hochsommer. Die Wassertemperaturen liegen im Frühjahr bei 17 °C und im Sommer bei 22 °C.

Klima: Auf den Azoren wird das Klima durch den Golfstrom beeinflusst. Es ist das ganze Jahr über mild, aber wechselhaft. Die durchschnittlichen Temperaturen liegen im Frühjahr/Winter bei 14 bis 16 °C, im Sommer bei 22 °C und im Herbst um 18 °C.

Sprache: Portugiesisch. Einige Azoreaner sprechen auch Englisch.

Zeit: Azoren Time. MEZ minus 2 Stunden.

Geld: Euro. Geldautomaten sind vorhanden. Die Zahlung mit Kreditkarte ist in Hotels, Restaurants und Mietwagen-Stationen fast überall möglich.

Dokumente: Personalausweis.

Gesundheit: Auf allen Inseln gibt es Gesundheitszentren. Krankenhäuser findet man z.?B. in São Miguel, Terceira und Flores. Die Behandlung muss vor Ort bar bezahlt werden. Die Rechnung sollte dann bei der Krankenversicherung im Heimatland zur Erstattung der Kosten vorgelegt werden.

Essen & Trinken: Bekannte portugiesische Gerichte sind „Caldeirada“-Fischsuppe, „Açorda“, eine Brotsuppe mit Krabben, Knoblauch und Koriander und „Bacalhau“ – Stockfisch. Die Vielfalt an Meeresfischen ist riesig. Typische Fleischgerichte sind „Cozido à Portuguesa“, ein deftiger Fleischeintopf mit Rind- und Schweinefleisch, Kohl, Reis, Kartoffeln, Speck und Wurst sowie „Cabrito“ (Zicklein). Typisch ist das süße Gebäck, z.?B. die Pastéis de Nata – Blätterteigtörtchen mit Vanillepudding gefüllt.

Sehenswert: Insel São Miguel: Ponta Delgada, das touristische Zentrum der Azoren inkl. einem schönen Yachthafen, Museen und Denkmälern; Kraterseen Sete Citades; Lagoa do Fogo und Lagoa das Furnas; Park Terra Nostra in Furnas; heiße Quellen; tropische Pflanzen; die einzige Teeplantage Europas in Gorreana. Insel Pico: Pico, der höchste Berg Portugals. Insel Terceira: Biscoitos, ein großes, sehr naturnahes Lava-Schwimmbecken. Insel Flores: Wasserfälle. Insel Faial: Horta, ein legendärer Hafen für Weltumsegler.

Unbedingt machen: Wandern, Inselhopping, Wale und Delfine beobachten.

Unbedingt vermeiden: Badeurlaub erwarten.

Beliebte Mitbringsel: Leder- und Korbwaren, Azulejos (bemalte Fliesen) und andere Keramik, Stickereien und Portwein.

Auskünfte: www.visit-azoren.de.

Lisa Kluxen

Fotos: Turismo de Portugal; Associacao de Turismo dos Acores

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